Michael Wesely – Langszeitbelichtung total extrem

Mit Fotografien verbindet man meistens Momentaufnahmen. Fotodokumente, die einen Bruchteil einer Sekunde festhalten. Möchte man einen Zeitraum darstellen, so denkt man im ersten Moment an Filmaufnahmen, die dann eventuell im Zeitraffer gezeigt werden um die Veränderung über Tage, Wochen oder Monaten zu zeigen. Man sollte schleunigst umdenken, wenn man Fotografien von Michael Wesely betrachtet. Wer bisher glaubte, dass eine Belichtungszeit von 2-3 Minuten lang ist, der wird bemerken, dass Zeit verdammt relativ sein kann. Belichtungen von wenigen Minuten sind geradezu Kurzzeitbelichtungen bei Wesely. Neugierig wie ein Foto aussieht das über Tage oder Wochen belichtet wurden?

 

Was passiert wenn man eine Strauß Tulpen in eine Vase mit Wasser stellt. Klar, die blühen auf um dann nach und nach zu verwekeln. Genau diesen Prozeß hat Wesely in einer Serie mit unterschiedlichen Blumen immer jeweils auf ein Foto gebannt. Dazu hat er das Stilleben über mehrere Tage belichtet.

 


Es geht aber noch krasser. Belichtungszeiten nicht nur von wenigen Tagen, sondern von Wochen und Monaten beherrscht Michael Wesely zwischenzeitlich souverän. 

 


In den Anfängen der Fotografie verwendete man Platten, die lange Belichtungszeiten benötigten. Um seine Aufnahmen zu realisieren, besinnt sich Wesely auf „alte“ Techniken. Dazu baut er unter anderem selbst Loch- und Schlitzkameras und bestückt diese mit Platten. Dadurch schafft er es extrem lange Belichtungszeiten zu erzeugen. Mit diesen selbst gebauten Kameras ist er in der Lage Projekte mit Belichtungszeiten von weit über einem Jahr zu realisieren. In unserer so schnellebigen Welt scheint dies eine halbe Ewigkeit zu sein.

 

Als 1997 mit den Bauarbeiten am Potzdammer Platz begonnen wurde, installierte er solche selbstgebaute Kameras und belichtete mit denen über einen Zeitraum von 2 Jahren. Nach dieser langen Zeit hatte der Fotograf genau eine Aufnahme je Kamera im Kasten. So entstanden ungewöhnliche Dokumente dieses Bauprojektes.

 

Die Aufnahmen haben was geisterhaftes, unwirkliches an sich. So als wären diese schon vor langer Zeit aufgenommen worden. Durch die verwendete Kameratechnik wirken die Fotos als wären diese bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts aufgenommen worden. Erneut spielt Wesely mit dem Faktor Zeit.


Auch den Neubau des Musems of Moden Art (MoMA) in New York zu Beginn des Jahrtausends begleitete Wesely mit seiner Kamera. Auf Grund der langen Belichtungszeiten zeichnen sich die über den gesamten Zeitraum fixen Bereiche deutlich klarer ab. Elemente, welche aufgebaut oder sich im Belichtungszeitraum bewegten, kommen mit einer gewissen Unschärfe daher. Aber genau diese Mischung macht den Reiz der Fotografien aus. Da ist was spannendes, denn auf den ersten Blick erfasst man kaum alles. Für den Betrachter bietet sich auf Grund der geringeren Detailtreue in vielen Bereichen, ein viel größerer Spielraum, um diesen mit eigenen Vorstellungen und Phanatsie zu füllen.

Was könnte nicht alles während der langen Belichtungszeit so durchs Bild „gelaufen“sein?